
Kritik an der Umgestaltung
von Thomas Püttmann
Die langjährige Renovierung der Liebfrauenkirche ist weitgehend abgeschlossen (September 2025). Gegen Ende wurde die denkmalgeschützte Kirche „umgestaltet und modern ausgestattet“. Die Kirchenbänke und das Chorgestühl wurden aus der Kirche entfernt und gegen die Stühle aus der zuvor geschlossenen Jugendkirche Gleis X ersetzt.
Außerdem erhält die Kirche eine umfangreiche Medienausstattung (Audioanlage mit Bandanschluss, Internet, Bildschirme, Kameras, Beleuchtung).
Moderne Umgestaltungen gab es auch im ehemaligen Jugendpastoralen Zentrum Trinity unserer Pfarrei und in der ehemaligen Jugendkirche Gleis X in Gelsenkirchen. Beide sind inzwischen geschlossen.
Bänke ↔ Stühle | Kirchschließung | |
---|---|---|
Gleis X | 2013 | 2025 |
Trinity | 2014 | 2023 |
Liebfrauen | 2025 | ? |
Dieser Text zum Trinity hat mir viel Hintergrund zur aktuellen Umgestaltung der Liebfrauenkirche geliefert oder wieder in Erinnerung gerufen.
Das Ergebnis ist ein künstlerisch und sakral entwerteter Kirchraum.
Dem historischen Ensemble aus Altären, Kirch- und Chorgestühl, Orgelempore und Orgelprospekt aus einheitlichem Eichenholz fehlen mit den Kirch- und Chorbänken die verbindenden Elemente.
Durch die im Foto zu sehende Standard-Sitzordnung geraten die Kunstschätze der Kirche alle aus der normalen Blickrichtung. Man muss den Kopf drehen, um die drei holzgeschnitzten Altäre, die mit Marienmotiven ausgestatteten Chorfenster und die Mondsichel-Madonna sehen zu können.
In der normalen Blickrichtung liegen die nackten Seitenwände und die schlicht gehaltenen Seitenfenster (Apostelfenster). Während der Messen ist so das Patronazilium Unserer lieben Frau vom Rosenkranz kaum wahrnehmbar.
Der alte Zelebrationsaltar und der künstlerisch darauf abgestimmte Ambo sollen in den Messen am Wochenende nicht mehr benutzt werden. Stattdessen kommen ein mobiler Plexiglas-Altar und ein Plexiglas-Ambo zum Einsatz. Beide wirken wie kalte, billige Fremdkörper im ansonsten warmen und würdigen Kirchraum - genauso wie die Stapelstühle mit Metallbeinen.
Aktuell bleibt mir unklar, ob der alte Ambo überhaupt noch irgendeine Funktion haben soll. Ambo und Altar bilden durch die auf sie verteilten vier holzgeschnitzten Evangelistentafeln eine künstlerische Einheit. Diese Einheit würde durch eine Entfernung des Ambos aus dem Chor zerstört.
Auch die geplanten Bildschirme werden in der Kirche wie Fremdkörper wirken.
Bisher war unsere Kirche tagsüber offen. Wird man das langfristig aufrecht erhalten können, wenn die Medientechnik im vollen Umfang installiert sein wird? Oder wird der öffentliche Zugang zum Denkmal eingeschränkt?
Zusammengefasst halte ich die aktuelle Umgestaltung für lieb-, verständnis- und ideenlos. Bildschirme und fremde Stühle werden ohne Anknüpfungspunkte an die bisherige Einrichtung einfach in den Kirchraum geklatscht.
Weitere Fotos des umgestalteten Kirchraums finden sich auf einer Internetseite der Pfarrei Liebfrauen. Dort erkennt man auch ein praktisches Problem der Umgestaltung: Es gibt keine Ablage- oder Anhängemöglichkeit für Fahrradhelme, Hüte und Taschen.
Vor und nach den Palmsonntags- und Ostermessen habe ich zusammen mit zwei meiner Kinder Unterschriften für den Verbleib der Kirchenbänke gesammelt. Nachträglich kamen noch ein paar weitere Unterschriften hinzu, so dass wir dem Pfarrgemeinderat und dem Pastoralteam am Ende über 280 Unterschriften vorlegen konnten.
Mein Begleitschreiben zu den Unterschriften.
Aus dem Antwortschreiben des Pfarrgemeinderatsvorsitzenden, das im Namen des PGR-Vorstands und des Pastoralteams erfolgte:
Aus den oben gemachten Ausführungen werden Sie aber schon geschlossen haben, dass unsere heutigen Gottesdienstbesucher*innen nur einen kleinen Teil der möglichen Gruppe der Nutzer*innen des neuen Raumes darstellen. Als Christinnen und Christen sind wir herausgefordert, Menschen, die wir – fast – verloren haben, zurückzugewinnen und allen Menschen Angebote zu machen, die sie in ihrer seelischen Entwicklung unterstützen. Das möchten wir u.a. durch eine Neugestaltung des Innenraumes der Liebfrauenkirche erleichtern. Diese Menschen können wir aber schlechterdings vorher nicht befragen.
Zwei Anmerkungen dazu:
Gerne zeige ich Interessierten den kompletten Antwortbrief des PGR-Vorsitzenden. Zwei weitere Zitate und meine Kommentare dazu:
Wir wissen und wussten, dass nicht alle Menschen aus unserer Kirche dem Wechsel von festen Kirchbänken zu einer flexiblen Bestuhlung zustimmen.
... und haben sie nicht frühzeitig informiert, angehört oder beteiligt.
Zum Schluss sei darauf hingewiesen, dass Menschen, die mit der Gestaltung der Liebfrauenkirche absolut nicht einverstanden sind, denen die Gottesdienstzeiten nicht zusagen oder die aus anderen Gründen keine Gottesdienste in der Liebfrauenkirche besuchen möchten, sicher eine gute Alternative in benachbarten Kirchen mit sie ansprechender Ausstattung finden werden.
Hier lese ich die Botschaft: „Wem es nicht passt, der kann gehen.“ Ob es angemessen ist, einen tiefen Eingriff in die künstlerische Einheit eines Kirchraums und die Gebetshaltung der Menschen auf eine Stufe mit einer Änderung der Gottesdienstzeiten zu stellen, überlasse ich jedem Leser.
Warum will man eine „moderne” Ausstattung (Stühle und Medientechnik) unbedingt in einer denkmalgeschützten Kirche verorten, deren Stärke ihre gut erhaltene historische Innenausstattung ist? Warum nicht zum Beispiel innerhalb der Pfarrei in St. Marien in Langendreer - einer Kirche, die ebenfalls aufwändig umgebaut werden soll? Oder warum verortet man in Hinblick auf die künftige Stadtpfarrei „moderne Formate“ nicht gleich in Maria Magdalena in Höntrop? Diese Kirche ist gut erreichbar, schon bestuhlt und atmosphärisch passend.
Das Vermögen des Bau mit e. V. stammt zum großen Teil aus der Aktion Fensterpatenschaften in den Jahren 2011-2012. Ein WAZ-Bericht erwähnt eine vorläufige Einnahme von 31.750 Euro. Die Aktion lief aber noch einige Zeit erfolgreich weiter.
Auch unsere Familie beteiligte sich mit einer Patenschaft über 350 Euro an der Aktion, andere Personen spendeten ein Vielfaches. Die Bedingungen, unter denen unsere Spende erfolgte, sind in den Unterlagen zur Patenschaft festgehalten:
Da das Bistum die Fensterrenovierung komplett finanzierte, ruhte das angesammelte Vermögen des Bau mit e. V. über die Jahre und wartete auf eine Verwendung im Rahmen der „notwendigen Innensanierung” der Kirche.
Es wurde still um den Bau mit e. V.. Die Internetseite verschwand.
Im Mai 2025 las ich dann im oben erwähnten vollständigen PGR-Beschluss mit großem Erstaunen und großer Verärgerung, dass der Bau mit e. V. Finanzierungszusagen für die Ausstattung der Liebfrauenkirche mit Medientechnik machte. Dafür hätte unsere Familie niemals gespendet. Wer Medientechnik finanzieren will, sollte auch für Medientechnik sammeln. Ich fragte ein mir bekanntes Mitglied des Bau mit e. V., wer den Verein führe. Es hatte keine Ahnung. Ich erfuhr weiterhin, dass es über mehrere Jahre keine Einladung zu einer Mitgliederversammlung erhalten hatte.
Eine Recherche auf handelsregister.de am 13.5.2025 ergab, dass am 24.11.2020 der Vorstand bis auf den Kassenwart gewechselt hatte. Der aktuelle Vorsitzende des Bau mit e. V. ist der aktuelle Pfarrgemeideratsvorsitzende. Das hätte ich nach Lesen des PGR-Beschlusses niemals gedacht!
Ich habe den Bau mit e. V. seither mehrfach aufgefordert, die Verwendung der Spenden unverzüglich offenzulegen („Sie kennen die Spender!“), damit sich jeder Spender und jedes Mitglied selbst seine Meinung dazu bilden kann. Denn für eine mögliche Spendenbereitschaft in Zukunft ist entscheidend, ob man als Spender eine Verwendung der Mittel in seinem Sinne wahrnimmt oder nicht.
Fest zugesagt wurde bisher nur, dass der Bau mit e. V. nach Abschluss der Renovierung den Betrag öffentlich macht, mit dem er sich daran beteiligt hat.
Eine Mitgliederversammlung hat inzwischen stattgefunden. Nach meinen Informationen war neben dem Vorstand nur ein Mitglied anwesend, das am Ende der Veranstaltung die Kündigung seiner Mitgliedschaft schriftlich übergeben hat.
Familien und Einzelpersonen haben damals im Rahmen der Fensterpatenaktion viel Geld gespendet - im festen Glauben, ihre Kirche bald in gutem, vertrautem Zustand wiederzubekommen. Nun haben wohl gerade diese Spenden das Umgestaltungspaket des PGR-Beschlusses ermöglicht.
Welch trauriges Ende einer ursprünglich liebevoll gestalteten Spendenaktion.
Die Kirche strahlt wieder, es könnte alles so schön sein...
Leider schaffen sich der Pfarrgemeinderat, das Pastoralteam und das Team West ihre Wunschkirche mit lieblos hineingeklatschten Stühlen und moderner Medientechnik.
Ein denkmalgeschützter Kirchraum wird entwertet, Blickrichtungen ändern sich, gehen ins Leere, gewohnte Gebetshaltungen werden erschwert, Vertrautheit und Bewährtheit durch Beliebigkeit ersetzt.
Reguläre katholische Gottesdienste werden verdrängt von Formaten mit mehr Eventcharakter. Chöre verlieren ihre Aufführungsmöglichkeiten - an normalen Sonntagen wie zu den Hochfesten. Ein hochqualifizierter Kirchenmusiker kündigt, weil er nicht sieht, wie er sein Potential entfalten kann.
Menschen, die 50-100 Mal im Jahr Gottesdienste besuchen, wurden nicht frühzeitig informiert, um ihre Meinung gefragt oder gar beteiligt, ebensowenig wie die Chöre oder die Lektoren. Stattdessen hat man Menschen im Blick, die deutlich seltener die Kirche besuchen, und stellt Zuwächse durch die neue Ausstattung und alternative Verwendungsmöglichkeiten in Aussicht - ähnlich wie bei den beiden inzwischen geschlossenen Jugendkirchen.
Verständnis oder gar Mitgefühl für die Betroffenen habe ich kaum bemerken können. Ganz im Gegenteil: Im Schreiben an mich und im Podcast der Pfarrei (7:35) wird die klare Haltung kommuniziert, dass diejenigen, denen die Ausstattung nicht passt, anderswohin gehen können. Die Verbundenheit der Menschen untereinander scheint keine Rolle zu spielen.
Aber nicht nur vor Ort sind Menschen von der Maßnahme betroffen. Schon durch die Kirchschließung in Laer gab es jahrelange Verletzungen. Wie soll das erst jetzt werden, wo mit St. Bonifatius und Herz Jesu zwei weitere Standorte in der Pfarrei geschlossen werden, während zur gleichen Zeit hier in Altenbochum mehrere zehntausend Euro für Medientechnik ausgegeben werden?
Wir hätten uns gefreut, wenn der Bau mit e. V. seine Mittel statt für Medientechnik für Handwerksleistungen ausgegeben hätte und die Pfarrei die entsprechenden Gelder solidarisch an den anderen Standorten investiert hätte.
In den letzten Jahren wurde die Zahl der aktiven Kirchen in der Pfarrei zuerst von 8 auf 5 und nun von 5 auf 3 verkleinert. Viele Menschen haben ihre Glaubensheimat mit all ihren vielfältigen menschlichen Beziehungen verloren oder verlieren sie aktuell - durch die Umgestaltung nun auch am Standort Liebfrauen. Ein behutsamer, fürsorgender Umgang mit Menschen sieht meiner Meinung nach anders aus.
Bis zur Umgestaltung koordinierte ich den Lektorendienst in der Liebfrauenkirche und war Kommunionhelfer. Meine vier Kinder waren hier jahrelang Messdiener und Sternsinger. Dreimal war ich Erstkommunionkatechet - zuletzt in der Pandemie, als ich auch Gruppenstunden per Zoom durchgeführt habe. Der Einsatz von Medientechnik im großen Stil ist mir durch meine universitäre Tätigkeit bestens vertraut. - Die ganze Familie hängt sehr an „ihrer Kirche“ und „ihrer Gemeinde“. Unser Weggang aus Protest ist für uns alle sehr schmerzhaft.